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09.05.2022 Breaking News

Mutig für Eu­ro­pa

EU Fahne vor Berlaymont Gebäude

Grüne Prioritäten für die Konferenz zur Zukunft Europas

Wir stehen täglich vor Herausforderungen globalen Ausmaßes. Grenzüberschreitende Bedrohungen wie Pandemien, Kriege oder die Klimakrise können nicht von einzelnen Staaten im Alleingang bewältigt werden. Es braucht ein Europa des Zusammenhalts und der Solidarität, ein Europa das vereint und über Ländergrenzen kooperiert. Es braucht ein Europa, das an einem Strang zieht und gemeinsam soziale und ökologisch-nachhaltige Wege aus Krisen findet.

 

Die Europäische Union, so wie wir sie heute kennen, ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist eine Errungenschaft. Eine Errungenschaft die Zusammenarbeit vor Nationalismus stellt. Eine Errungenschaft die Menschenrechte als Handlungsauftrag versteht und stets nach friedlichen Lösungen sucht. Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt einst verfeindeter Staaten.

 

Europa befindet sich heute an einem Wendepunkt. Während die COVID-19-Pandemie noch nicht überwunden ist, ist in unserer Nachbarschaft ein Krieg ausgebrochen. Beide Krisen haben die Europäische Union schwer erschüttert – aber auch gestärkt. Die 27 Mitgliedsstaaten zeigen beispiellosen Zusammenhalt gegenüber Russland, und in der Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen. Wir dürfen dieses Momentum des europäischen Zusammenhalts nicht verstreichen lassen, sondern müssen es nutzen um mutige Strukturreformen in die Wege zu leiten. Nur ein gemeinsames und demokratisches Europa kann in Krisenzeiten bestehen und die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft nachhaltig bewältigen.

 

Dieser schriftliche Beitrag zur Konferenz zur Zukunft Europas gibt Impulse dafür. Er konzentriert sich auf mutige Maßnahmen und Reformvorschläge, mit denen die Europäische Union die Weichen zu  einer demokratischeren, effizienteren, nachhaltigeren, gerechteren, widerstandsfähigeren und innovativeren Zukunft stellen kann. Dabei lassen wir uns nicht vom aktuellen institutionellen Rahmen einschränken, sondern überschreiten diese. Der Beitrag stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern setzt bewusst Prioritäten.

Eine Hand gibt ein Kuvert in eine der aufgereihten Wahlurnen in einer Sporthalle

DIE EU DEMOKRATISCHER, EFFIZIENTER UND TRANSPARENTER MACHEN

Werte wie Solidarität, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Menschenwürde sind, sowohl außerhalb als auch innerhalb Europas, zunehmend gefährdet. Umso wichtiger ist es, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union näher zusammen rücken. Wir wollen die EU weiterdenken und zu den Vereinigten Staaten von Europa weiterentwickeln, dabei die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den EU-Institutionen überdenken, die Entscheidungsverfahren effizienter und transparenter gestalten, den Vetos einzelner Nationalstaaten ein Ende setzen, die EU-Wahlen wirklich europäisch machen und den Bürger:innen mehr Mitspracherechte geben.

Dafür braucht es

  • WAHLEN
    Durch die Einführung transnationaler Listen sollen Bürger:innen bei Wahlen zum Europäischen Parlament zukünftig ihre Stimme an Kandidat:innen über Landesgrenzen hinweg geben können. Für die Präsidentschaft der Europäischen Kommission muss das Spitzenkandidat:innenprinzip gelten.
  • GESETZE
     Das Europäische Parlament muss gestärkt werden, damit es zu einem vollwertigen Gesetzgebungsorgan der EU wird. Zukünftig soll es Gesetzesinitiativen einleiten können und mit umfassenderen Kontrollrechten ausgestattet sein.
  • ABSTIMMUNGEN
     Im Rat muss das Einstimmigkeitserfordernis in Politikbereichen wie Steuern oder Soziales durch das normale Gesetzgebungsverfahren ersetzt werden. Der Rat soll zu einer mitberatenden zweiten Kammer transformiert werden, die ebenso transparent arbeitet wie das Europäische Parlament.
  • IMPULSE
    Die Europäische Bürger:inneninitiative muss gestärkt werden, damit es Bürger:innen ermöglicht wird, eine Reform der EU-Verträge vorzuschlagen.

 

Junge Leute aus Froschperspektive, die gemeinsam einen Globus in den Himmel halten

UNSEREN PLANETEN SCHÜTZEN

Es ist an der Zeit, dass Europa beim Klimaschutz die Führungsrolle übernimmt. Nur wenn es uns gelingt, mit der Natur zu leben anstatt sie auszubeuten, können wir einen effektiven Beitrag zur Überwindung der Klimakrise leisten. Wir wollen die Klimakrise durch ambitionierte Maßnahmen mit Weitblick entschärfen, auf 100% Erneuerbare Energie umsteigen, die Umwelt schützen und die Landwirtschaftspolitik komplett neu denken. Gesunde Lebensmittel dürfen in der EU kein Luxus sein, sondern müssen zum Standard werden.

Dafür braucht es

  • KLIMA
    Die EU muss aus Verantwortung für die Zukunft alles Notwendige tun, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Hier kann es nicht zu schnell gehen: Die Co2-Emissionen sollten bis 2030 um mindestens 60% gesenkt werden. Die EU muss hier noch nachschärfen; bis allerspätestens 2050 muss die EU klimaneutral sein.
  • ENERGIE
    In der EU braucht es 100% erneuerbare Energien statt Abhängigkeit von russischem Gas und gefährlicher Atomkraft. Kein einziger Euro der Steuerzahler:innen sollte für die Finanzierung fossiler Brennstoffe verwendet werden.
  • ATOM
    Mit einem europäischen AKW-Ausstiegsprogramm muss ein atomkraftfreies Europa bis 2030 ermöglicht werden. Statt der geplanten Ausweitung des Euratom-Vertrags müssen die Privilegien für Atomkraft beendet und der Vertrag aufgelöst werden.
  • LANDWIRTSCHAFT
    Es braucht dringend eine Kehrtwende in der Agrar- und Ernährungspolitik. Fördergelder müssen konsequent in eine ehrgeizig nachhaltige, regionale und bäuerliche Landwirtschaft fließen, die Tierschutz hochhält und Biodiversität schützt. Gentechnik muss noch strenger reguliert werden und wir lehnen Patente auf Pflanzen und Tiere ab.
  • UMWELT
    Um Verbrechen gegen die Umwelt weltweit zu ahnden, muss sich die EU für die Schaffung eines internationalen Umweltgerichtshofs einsetzen.
Nahaufnahme von verschiedenen Euro Banknoten mit einem kleinen Teil eines Taschenrechners im Bild

UNSER WIRTSCHAFTSMODELL ZUKUNFTSFIT AUFSTELLEN

Ausbeuterische Wirtschaftsmodelle, die Profite über Menschenleben und Natur stellen, führen uns die Schwächen unserer Gesellschaft in Sachen Nachhaltigkeit, Demokratie, sozialer Standards und Gerechtigkeit vor Augen. Wir wollen, dass „erfolgreich Wirtschaften“ bedeutet, nicht auf Kosten zukünftiger Generationen zu handeln. Deswegen muss zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik neue Prioritäten setzen. Der Umstieg auf eine Kreislaufwirtschaft mit null Emissionen bietet sowohl Menschen als auch der Umwelt erhebliche Chancen.

Dafür braucht es

  • FINANZIERUNG
    Eine effektive EU braucht einen ehrgeizigeren Haushalt. Die Verankerung der Fähigkeit der Union, echte Eigenmittel aufzubringen und europäische Anleihen im Rahmen einer europäischen Budgetpolitik zu begeben, ist notwendig, um ihre Handlungsfähigkeit stärken.
  • INVESTITIONEN
    Der Übergang auf eine nachhaltige Wirtschaft erfordert große Investitionen in Österreich und der gesamten EU. Ein dauerhafter Europäischer Fonds für Nachhaltige Investitionen muss geschaffen werden, damit er einen Beitrag für die Finanzierung der Transformation leisten kann. Mit einer grünen Investitionsoffensive lösen wir zwei Probleme: Wir schaffen Arbeitsplätze und Modernisierung.
  • INNOVATION UND DIGITALISIERUNG
    Ein grüner und CO2-neutraler Industriesektor erfordert Innovationen und intelligente Lösungen, die Produkte und Prozesse energie- und ressourceneffizienter machen. Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle beim Übergang in das postfossile Industrie-Zeitalter. Dafür braucht es entsprechende zielgerichtete Förderungen auf EU-Ebene, aber auch Schutzmechanismen, um Bürger:innenrechte zu bewahren. Dies stärkt auch die strategische Autonomie Europas.
  • STEUERUNG
    Eine Reform der makroökonomischen Steuerung der EU ist notwendig, damit soziale und ökologische Ziele mit den Haushaltszielen gleichrangig sind. Entsprechend sollte der Stabilitäts- und Wachstumspakt um einen Nachhaltigkeits- und Wohlstandspakt ergänzt werden. Ausgaben der Mitgliedsstaaten für langfristige sozialökologische Investitionen sollen nicht den aktuellen restriktiven Schuldenregeln zum Opfer fallen.
Eine Reihe an Menschen mit verhakten Armen, die gemeinsam auf einer Demonstration marschieren

DIE SOZIALUNION
VERTIEFEN

Der soziale Zusammenhalt ist eines der wichtigsten Zukunftsversprechen einer weiterentwickelten Europäischen Union. Es braucht eine Sozialunion als Gegengewicht zur reinen Wirtschafts- und Währungsunion. Wir wollen, dass in der EU alle Menschen ein würdevolles Leben führen können. Europa muss grundlegende soziale Rechte sicherstellen. Die Zukunft Europas ist feministisch, inklusiv und antirassistisch.

Dafür braucht es

  • GRUNDRECHTE
    Die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerten sozialen Rechte müssen im Primärrecht der EU verankert werden und vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sein.
  • STANDARDS
    Für die soziale Absicherung braucht es die konsequente Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte und EU-weite Mindeststandards. Eine europäische Sozialversicherungsnummer würde sicherstellen, dass mobile Europäer:innen nicht durch national zersplitterte Sozialsysteme fallen.
  • GLEICHSTELLUNG
    Die EU muss eine offensive Gleichstellungsstrategie verfolgen, damit Gleichstellung nicht erst Ende dieses Jahrhunderts Realität wird. Jeder Rückfall bei Frauenrechten in der Union muss sanktioniert werden. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch muss in die Charta der Grundrechte der EU aufgenommen werden und die Union der Istanbul-Konvention beitreten.
  • GLEICHBERECHTIGUNG
     Alle Menschen müssen das Recht haben, ihren Lebensstil und ihre Identität zu bestimmen. Die Beziehungen gleichgeschlechtlicher Paare und ihrer Familien müssen europaweit rechtlich anerkannt werden.
  • AUSTAUSCH
    Die EU kann durch eine Ausweitung der Austausch- und Mobilitätsprogramme noch näher rücken. Um jungen und benachteiligten Europäer:innen zu ermöglichen international zu arbeiten, zu lernen und zu studieren braucht es Förderungen und adäquate soziale Absicherung.
Wahlzettel in Nahaufnahme, mit der eine Frau beginnt, mit Kuli ein Kästchen anzukreuzen

DEN GRUNDPFEILER
DEMOKRATIE STÄRKEN

Nationalist:innen, Populist:innen, Klimaleugner:innen und Verschwörungstheoretiker:innen haben es sich zum Ziel gesetzt, die europäische Gemeinschaft zu spalten und den Kontinent zu destabilisieren. Nur mit gefestigten demokratischen Strukturen schaffen wir es nationalistischen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen. Unsere Vision ist es die Europäische Union zu einer vollwertigen Demokratie weiterzuentwickeln. Wir wollen ein widerstandsfähiges, modernes, selbstbewusstes und starkes Europa schaffen, in dem Medienvielfalt herrscht, die demokratischen Prozesse und die Rechtsstaatlichkeit geachtet werden, in dem die Bürger:innen sich gegen Desinformation, Propaganda und Einmischung von außen wehren können.

Dafür braucht es

  • MEINUNGSFREIHEIT
    Demokratie kann nur funktionieren, wenn Medien unabhängig sind und die Zivilgesellschaft uneingeschränkt arbeiten darf. Die Medienfreiheit und unabhängige Journalist:innen müssen rechtlich geschützt, und NGOs finanziell unterstützt werden. Propaganda und Desinformation muss besonders online ein Riegel vorgeschoben werden.
  • PRIVATSPHÄRE
     Um unsere Rechte und Freiheiten im digitalen Zeitalter zu bewahren, muss die EU ein Überwachungsmoratorium beschließen, das Massenüberwachung und Massendatenerfassung unterbindet. Privatheit soll als unteilbares Element der Würde des Menschen anerkannt werden.
  • SANKTIONEN
    Wenn EU-Mitgliedsländer gegen die Spielregeln der Union verstoßen, muss es harte Konsequenzen inklusive der Streichung von EU-Förderungen geben. Entsprechende Instrumente, inklusive dem Verfahren nach Artikel 7 EUV, müssen gestärkt werden. Die Kompetenzen der Europäischen Staatsanwaltschaft müssen ausgeweitet werden.
  • LOBBYING
    Der Einfluss von Unternehmen auf die Politik muss eingebremst werden. Der enorme Einfluss von Großkonzernen auf politische Entscheidungsprozesse in Brüssel und der gesamten EU auf Gesetzgebungsprozesse für wie Steuern, Bankenregulierung, oder Abgasnormen stellt eine Bedrohung für das öffentliche Interesse und unsere Rechte dar. Es braucht maximale Ethikstandards und höhere Transparenz.
Mehrere dunkelhäutige Hände im Kreis, auf welches Wasser geschüttet wird

SOLIDARITÄT UND FAIRNESS GLOBAL DENKEN

Solidarität und internationale Zusammenarbeit sind der Schlüssel zu verantwortungsvoller, menschlicher Politik, die mit Verstand zur Lösung aktueller Probleme beiträgt. Es braucht eine gesamteuropäische Sicherheitspolitik, getragen von politischer Weitsicht, Menschlichkeit und Vernunft. Wir wollen eine starke EU mit klarer und geeinter Stimme auf der globalen Bühne, eine glaubwürdige europäische Perspektive für Länder, die unsere Werte teilen, eine robuste und humane Migrationspolitik, Handelsbeziehungen, die Menschenrechte und Nachhaltigkeit hochhalten und Unterstützung für Partnerländer in der Armutsbekämpfung.

Dafür braucht es

  • SICHERHEIT
    Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende für Europa. Die EU muss sich den Sicherheitsanforderungen stellen, mit denen wir konfrontiert sind. In der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik braucht es effizientere Entscheidungsmechanismen.
  • ERWEITERUNG
    Ländern in unserer Nachbarschaft, insbesondere am Westbalkan, die europäische Werte teilen und die Voraussetzungen erfüllen, sollte rasch der EU-Beitritt ermöglicht werden.
  • MIGRATION
    Jede größere Fluchtbewegung zeigt, wie dringend die EU eine Asylpolitik braucht, die auf Solidarität, Menschlichkeit und einem geordneten Prozess, der eine faire Verteilung der Verantwortung zwischen den 27 Mitgliedsaaten vorsieht. Die EU muss legale und sichere Flucht- und Migrationskanäle schaffen.
  • HANDEL
    In allen Handelsabkommen der EU müssen verbindliche soziale und ökologische Standards, inklusive dem Pariser Klimavertrag, als wesentliche Bestandteile verankert werden. Das gilt auch für bereits bestehende Abkommen. Statt privilegierter Sonderklagerechte für Konzerne braucht es einen internationalen Handelsgerichtshof.
  • ENTWICKLUNG
    Solidarität kennt keine Grenzen. Die Mitgliedsstaaten müssen 0,7% BNE in Entwicklungszusammenarbeit investieren und stets darauf achten, dass ihr Tun in allen Politikbereichen keine negativen Effekte auf die ärmsten Länder hat.
Portraitfoto von Michel Reimon vor grünem Hintergrund
Michel Reimon

Sprecher für Europapolitik und Entwicklungszusammenarbeit

[email protected]
Monika Vana
Monika Vana

Abgeordnete im Europäischen Parlament

[email protected]
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