Tisa – Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen
TiSA, das „Trade in Services Agreement” oder auch „Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen“, ist eines der wichtigsten derzeit verhandelten Abkommen. Vergleichbar in seinem Ausmaß ist das Abkommen zur „Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ (kurz: TTIP) zwischen der EU und den USA.
TTIP und TiSA sind zwei Seiten derselben neoliberalen Medaille. Am 8.
Juli 2014 beginnt die zweite TiSA-Verhandlungsrunde zwischen der EU und 21 anderen
Ländern (darunter die USA, Türkei, Kanada, Mexiko, Australien und Japan), um
den Handel mit Dienstleistungen zu liberalisieren. Damit werden nationale
Märkte für ausländische InvestorInnen geöffnet, die teilweise sogar ihre
eigenen ArbeiterInnen mitbringen können.
Nicht nur die Gefahr der
Liberalisierung öffentlicher Güter wie Abfallentsorgung, Bildung und Gesundheit
oder anderer Dienstleistungen wie Datenschutz ist problematisch. Das Abkommen
wird deshalb so große Auswirkungen haben, weil es außerhalb der
Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt wird und somit den Weg ebnet für
zukünftige plurilaterale statt multilaterale Abkommen.
TiSA – eine Gefahr für den
Multilateralismus
Diese 21 WTO Mitgliedsstaaten, die sich selbst
„Really Good Friends of Services” (Deutsch: „Sehr gute
DienstleistungsfreundInnen“; kurz: RGF) nennen, wollen sich auf weitere
Standards im Handel mit Dienstleistungen einigen. Bislang ist dieser im
„General Agreement on Trade in Services” (Deutsch: „Generelles Abkommen zum
Handel mit Dienstleistungen“; kurz: GATS) geregelt, ein Grundlagendokument der
WTO.
Weil die Reform des GATS derzeit nicht vorangeht, wollen die RGF TiSA
durchdrücken, obwohl sie den Handel mit Dienstleistungen zumeist in bilateralen
Freihandelsabkommen regeln. Indem GATS nun auf plurilaterale Weise reformiert
werden soll, werden alle anderen Länder ausgeschlossen, wobei sie das Abkommen
aber Auswirkungen auf sie haben wird. Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland,
Indien, China und Südafrika) sind gegen jegliche Verhandlungen außerhalb der
WTO. Zugleich sind sie diejenigen Staaten, in denen der Dienstleistungssektor
stark wachsen wird – weshalb es wichtig wäre, dass sie einem neuen Abkommen
zustimmen.
Die RGF wollen TiSA so aushandeln, dass in das
WTO-Regelwerk aufgenommen werden kann, wenn ihm weitere Staaten beitreten. Das
bringt rechtliche Fragen mit sich, da noch unklar ist, wie eine rechtliche
Koexistenz von TiSA und GATS möglich ist. Dennoch will diese Koalition der
Willingen zeigen, dass wenn sie ein Abkommen wollen, es auch ein Abkommen geben
wird – statt Wege zu suchen, international verbindlichen Regeln in einem
multilateralen Rahmen auszuhandeln.
TiSA – eine Gefahr für die
Transparenz
Außerhalb der WTO zu verhandeln, heißt auch, dass
die Verhandlungen noch intransparenter ablaufen. Anfang 2012, haben die RGF
inoffizielle und geheime Verhandlungen begonnen. Zu dem Zeitpunkt hatte die
Europäische Kommission noch nicht mal ein Mandat der Mitgliedsstaaten! Ohne
irgendwelche Änderungen akzeptierten die 27 HandelsministerInnen später das von
der Kommission vorgelegte Mandat. Obwohl die Kommission dazu verpflichtet ist,
eine Folgenabschätzung zu machen, bevor sie Verhandlungen aufnimmt, hat sie
bislang keine vorgelegt.
In seiner Plenarsitzung im Juli 2013 einigte sich das
Europäische Parlament ohne die Stimmen der Grünen auf eine gemeinsame
Stellungnahme; der
Grüne
Entschließungsantrag
wurde
abgelehnt. Wie immer bei Handelsverhandlungen werden die Dokumente nicht
zugänglich sein und die Zivilgesellschaft wird keine Möglichkeit haben,
Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen.
TiSA – eine Gefahr für öffentliche
Güter
Im Vergleich zu GATS wird TiSA den Handel mit
Dienstleistungen weiter liberalisieren. Anstatt dass sich Staaten zur
Liberalisierung spefizischer Subsektoren mittels eine „Positivliste“
verpflichten, sollen Staaten Dienstleistungen gezielt ausschließen. Diese
„Negativliste“ bedeutet, dass alles, was nicht auf der Liste steht,
liberalisiert wird! Mit der so genannten „Stillhalteklausel“ können Staaten den
Status der Liberalisierung der genannten Sektoren beibehalten, aber nicht
wieder stärker regulieren. Generell gilt, dass wenn eine Dienstleistung
liberalisiert wurde, sie nicht wieder reguliert werden kann („Ratchet Clause“).
Unter anderem wird das Abkommen insbesondere die
Liberalisierung finanzieller Dienstleistungen, digitalem Handel, staatlichen
Unternehmen, Telekommunikation und Postdienstleistungen angehen. Auch
Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Umwelt sind wahrscheinlich
eingeschlossen. Zugleich hat die Kommission verlauten lassen, dass
audiovisuelle Dienstleistungen nicht verhandelt werden sollen.
TiSA – eine Gefahr für die Demokratie
Eine weitere Liberalisierung vom Handel mit
Dienstleistungen begrenzt nationalen politischen Handlungsspielraum. TiSA kann
zum Beispiel die Bemühungen, Dienstleistungen zu rekommunalisieren, erschweren.
Lokale oder nationale Regulation der Märkte wird immer begrenzter möglich sein.
Meistens haben diese Art von Abkommen zudem viele Schlupflöcher in Bezug auf
öffentliche Güter. So gefährdet TiSA beispielsweise Dienstleistungen, die in
öffentlich-privater Hand sind.
TiSA – keine Verhandlungen ohne
Protest!
Während die Verhandlungen des Handelsabkommens
zwischen den USA und der EU gerade von einer öffentlichen Debatte begleitet
wird, hat TiSA bisher kaum Schlagzeilen gemacht. Das öffentliche Bewusstsein
über das Ausmaß und die Auswirkungen von TiSA ist bisher sehr gering. Das macht
es leicht für die VerhandlungsführerInnen – die planen, die ersten
Entscheidungen bei der WTO-Konferenz im Dezember 2013 in Bali vorzulegen. Wir
Grüne im Europäischen Parlament sind absolut gegen dieses Abkommen. Aber
alleine können wir es nicht stoppen.
TiSA wird verhandelt zwischen der EU,
USA, Kanada, Mexiko, Japan, Chile, Chinesisch Taipeh, Costa Rica, Hong Kong
China, Island, Israel, Kolumbien, der Koreanischen Republik, Neuseeland,
Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Schweiz und Türkei